Zambia
Ergotherapeutisches Praktikum in Zambia
Bericht von Martin Simonis, Ergotherapie-Jahrgang 2006/2008 der Völker-Schule Osnabrück, vom 04.06.2007
Sambia liegt in den Tropen von Südafrika und ist etwas kleiner als das Vereinigte Königreich Grossbritannien und Frankreich zusammen. Sambia hat etwas über 11 Millionen Einwohner. Die Hauptstadt ist Lusaka, die offizielle Amtssprache ist Englisch. Die Lebenserwartung in Sambia beträgt 37,0 Jahre und die HIV-Infizierten-Rate liegt bei 17% der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren. Laut dem letzt erschienenen Human Development Report liegt der HDI-Index für Sambia bei 0,407, Deutschlands dagegen bei 0,932.
Innerhalb meiner ergotherapeutischen Ausbildung arbeitete ich sechs Wochen als Praktikant in der Zambezi Paramedical Clinic Livingstone in Sambia. Die Paramedical Clinic ist im Umkreis von ca. 300 km die einzige Rehabilitationseinrichtung, hier sind 7 Physiotherapeuten und 2 Ergotherapeuten angestellt. Die Klinik ist angebunden an das General Hospital Livingstone, welches für ca. 200.000 Menschen zuständig ist, und hier als „Second-Level Krankenhaus“ fungiert. In Sambia gibt es verschiedene kleine Kliniken, welche jeweils für einen Bezirk zuständig sind, teils auch mit einer angegliederten stationären Abteilung, die Patienten werden nur ein „Second-Level Krankenhaus" überwiesen, wenn sie nicht mehr ausreichend auf den zu vorherigen Kliniken versorgt werden können.
Während meines Praktikums erhielt ich Einblick in die verschiedenen Bereiche, wie Neurologie, Pädiatrie und Psychiatrie. Außerdem konnte ich aktiv in verschiedenen Programmen mitwirken, wie beispielsweise in Cheshire Home („Tagesstätte für Kinder mit Behinderungen“), in Tulakozy („Tagesstätte für Menschen mit geistiger Behinderung"), sowie im Gefängnis, wo wir ebenfalls Menschen mit geistiger Behinderung im ergotherapeutischen Kontext gefördert haben und in einem CBR (Community Based Rehabilitation) Projekt.
CBR ist ein Projekt, dessen grundsätzliche Idee sich auf der Dezentralisierung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen, sowie der bewussten Einbeziehung der Bedingungen und der Gemeinde vor Ort, gründet. Im folgendem möchte ich gerne einige allgemeine Probleme nennen, die die (ergotherapeutische) Arbeit in einem so genannten „ Dritte Welt Land“ mit sich führen kann, und diese an Beispielen erläutern. Es herrscht eine kaum vorstellbare Material- und Finanzknappheit. Nicht selten beginnen die ersten Probleme schon mit der Verfügbarkeit von Papier und Stifte. Der Mangel an therapeutischen Mitteln veranlassen den Therapeuten bei der Umsetzung der Therapieziele kreativ zu arbeiten.
Finanzielle Armut und ein unterentwickeltes Gesundheitssystem machen es für die breite Masse schlicht weg unmöglich Therapien zu erhalten, auch wenn 10 Therapieeinheiten umgerechnet nur ca. 5 Euro kosten. Weitere einschneidende Faktoren in der Versorgung sind die oft kaum zu überwindenden Distanzen sowie mangelnde Transportmöglichkeiten, was sich wiederum bei der ländlichen und somit ärmsten Bevölkerungsschicht zu Buche schlägt. Ein zusätzliches Problem sind die unzureichende Zugangsmöglichkeiten zu Informationen und Bildung, so besteht z.B. in Sambia nicht die Möglichkeit eine Ergotherapieausbildung zu absolvieren, geschweige denn Fortbildungskurse zu besuchen.
Dies wirkt sich nicht nur auf den Therapeuten aus, sondern auch selbstverständlich auf die Klienten/ Menschen. Dies spiegelt sich beispielsweise wider im Hinblick auf AIDS oder den Umgang mit Menschen mit Behinderung. Fest verwurzelt mit Kultur und Tradition ist der „Aberglaube“, der noch in vielen, vor allem ländlichen Regionen besteht. So werden beispielsweise Menschen, vor allem aber Kinder mit Behinderung, als eine Strafe Gottes empfunden. Nicht selten kommt es hierdurch zur Verleugnung der Betroffenen um das Familienansehen nicht zu beflecken. Die betroffenen Menschen leben isoliert und es wird versucht sie in der Hütte zu verstecken. Weitere Probleme ergeben sich durch mangelhafte Kommunikation, Kooperation und Organisation, sowie einen mangelnden Bekanntheitsgrad von Ergotherapie.
Dazu ergeben sich weitere Probleme wie Sprachenvielfalt und die Frage: Wo beginnt und endet Hilfe? Sowie unzählige andere Probleme. Trotz all dieser Steine die der Arbeit in den Weg gelegt werden, konnte ich die Erfahrung machen, wie sinnvoll, effektiv und hilfreich Ergotherapie in „Dritte Welt Ländern“ sein kann. Besonders faszinierend ist für mich, wie man mit den einfachsten Materialien effektive Hilfsmittel herstellen kann mit geringem Kostenaufwand. So ist es beispielsweise üblich Sitzhilfen für Kinder mit Behinderungen aus Pappmache herzustellen. In Hinsicht auf Hilfsmittelherstellung sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Gerade bei Projekten wie CBR wurde ich mit der Armut direkt konfrontiert. So sah ich zum Beispiel einen 11-jährigen Jungen mit schwerer Epilepsie, der allein unter einem afrikanischen Baum ohne Medikamente und therapeutische Versorgung lag, solche Bilder sind leider keine Seltenheit. Doch ich konnte auch viele Erfahrungen machen, welche die Bedeutung, Wirksamkeit und Notwendigkeit solcher Therapie-Programme bestätigen, wenn sie denn effektiv umgesetzt werden. So wurde beispielsweise während meines Aufenthaltes mehreren Kindern eine kostenlose Operation in der Hauptstadt ermöglicht, eine Chance, die sie wahrscheinlich ohne ein solches Programm niemals in ihrem Leben bekommen hätten. Auch herrscht in der afrikanischen Gesellschaft eine andere Therapeuten-Patienten- Beziehung. So wird dem Therapeuten eine sehr bedeutungsvolle Rolle zugeschrieben, vor allem bezüglich Dankbarkeit und Anerkennung.
Das Zeitverständnis ist ein völlig anderes, Afrika ist zeitloser, nicht wie in westlichen Ländern, wo Menschen für Menschen keine Zeit mehr haben, weil sie ständig unter Termindruck stehen. So besteht zum Beispiel für eine therapeutische Einheit kein fest gelegter Zeitrahmen, es wird sich soviel Zeit für den Patienten genommen, wie eben notwendig ist. Es gab für mich persönlich viele einschneidende Erlebnisse, eindrückliche Bilder und bewegende Schicksale, die mich sicherlich noch weiterhin begleiten und beschäftigen werden. Die grenzenlos erscheinende afrikanische Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft sowie die offene Mentalität zeigen mir, dass wir Menschen aus dem Westen einiges lernen können von einem so genanntem „Entwicklungsland“. Letztendlich sind es für mich Erfahrungen gewesen, die meinen Horizont erweitern und mich viel lehren über Ergotherapie, Kultur, Tradition, Menschen und über das Leben an sich. An dieser Stelle möchte ich allen Menschen danken, die mich in diesem Unternehmen unterstützt haben, besonders all denen, die mich in Sambia begleitet haben und mich wie ein Familienmitglied aufnahmen.